Herr Faustini verreist : Roman

Hermann, Wolfgang, 2006
Öffentl. Bücherei Semriach
Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Medienart Buch
ISBN 978-3-552-06025-8
Verfasser Hermann, Wolfgang Wikipedia
Systematik DR - Romane, Erzählungen und Novellen
Interessenskreis Roman
Schlagworte Entschleunigung, Sinnsuche, Langsamkeit
Verlag Deuticke
Ort Wien
Jahr 2006
Umfang 139 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Wolfgang Hermann
Annotation Quelle: Apropos. Straßenzeitung für Salzburg (http://www.apropos.or.at/);
Autor: Dorit Burgsteiner;
Grenzöffnung
Herr Faustini lebt mit seinem Kater in einem kleinen Ort nahe der Grenze zur Schweiz. Oft macht er sich auf den Weg und unternimmt mit öffentlichen Verkehrsmitteln kleine "Reisen" durch Vorarlberg. Als seine Schwester, die im Tessin lebt, ihn zu ihrem runden Geburtstag einlädt, kann er nicht ablehnen und ist gezwungen, sein gewohntes Leben und seine gewohnte Umgebung hinter sich zu lassen. Dabei erkennt er die Eingeschränktheit in seinem Leben und wie schön es sein kann, sich der Welt da draußen zu öffnen.
Der Autor Wolfgang Hermann zeigt, wie sich festgefahrene Einstellungen oder Meinungen doch plötzlich ändern können, wenn man sieht, dass es auch anders geht. Er beschreibt, dass es für manche Veränderungen nie zu spät ist und dass mit ausreichend Mut oft nur ein kleiner Schritt notwendig ist.

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Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Ingo Steufmehl;
Ein Schweizer Sonderling erlebt in der Welt des Alltäglichen ungewöhnliche Abenteuer. (DR)

Herrn Faustini, dem akribisch-detailversessenen Beobachter der Welt, widerfährt Ungewöhnliches, das im Alltäglichen verborgen lauert. Manches Mal überrascht er sich selber, indem er Aktionen einleitet, die er normalerweise nicht in Gang setzen würde, wie die Konversation mit dem mutmaßlichen afrikanischen Prinzen (der ein Prinz sein muss, da er immer elegante Zweireiher trägt) auf der Bregenzer Uferpromenade, die in zwei Sätzen und Erwiderungen beendet ist. Dann die verwegene Tat einer Kontoeröffnung mit 20 Franken in Liechtenstein. Ein gegenüber wohnender Nachbar, den der schiefe Fensterladen von Faustini stört, betritt freundlich dessen Wohnung und richtet den Schaden, während Faustini mit seiner in Mailand lebenden Schwester telefoniert. Danach braucht Herr Faustini erst einmal einen Fernet Branca.
Das Ungewöhnliche dieses Buches liegt in der Detailbetrachtung, die fremdartige Perspektiven eröffnet und das Abenteuer überall lauern lässt. Wolfgang Hermann erzählt von Herrn Faustini in einer treffsicheren Sprache, in der jedes Wort sitzt.

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Quelle: Literatur und Kritik;
Autor: Alexander Kluy;
Die Welt heller machen
Wolfgang Hermanns luzider Roman "Herr Faustini verreist"
Herr Faustini ist kein Dr. Faust. Viel eher schon, wie der italianisierende Diminutiv anklingen lässt, ein Fäustling. Bar allerdings jeglicher gewalttätiger, dominanter, erobernder oder menschenfeindlicher Anwandlungen. Herr Faustini ist ein in der Nähe von Bregenz am Bodensee allein lebender, ebenso herzensguter wie geistesheiterer stiller Einzelgänger jenseits der Zwänge des Erwerbslebens. Er ist ein glücklicher Simplicius im abgezirkelten windstillen Winkel, an dem kein böser Gedanke hängenbleibt, ein "Zeitdieb", wie es einmal heißt, "der unentdeckt leere Zeit hortete, auf ihr saß und von ihr bis zur Zufriedenheit ernährt wurde". Er führt ein kleines, stilles Leben in einem kleinen stillen Häuschen, mit einem dann und wann auftauchenden stillen kleinen Kater und Ausflügen in die nähere Umgebung, die er stets zu Fuß, per Bus oder Nahverkehrszug unternimmt.
Der heute nach Aufenthalten in Berlin, Frankreich und Japan wieder in Vorarlberg lebende Autor Wolfgang Hermann hat um diesen anrührenden Un-Helden, der ebenso ungern wie selten verreist, nun einen Roman geschrieben, in dem Faustini einiges erlebt, sich dann doch zu einer Reise, ins Tessin zu seiner Schwester, aufmacht und sachte, ganz sachte eine Wandlung erfährt inklusive märchenhaft anmutendem Finale.
Mit Bregenzer Binnenverhältnissen Vertraute werden mehr als deutlich Personen wiedererkennen. So verirrt sich Herr Faustini eines Tages offenen Auges und reinen Herzens auf die Vernissage eines zeitgenössischen Künstlers in einem gläsernen Ausstellungskubus am Bodenseeufer. Ein kunstvoll lockengegelter Mann hält dort die Eröffnungsrede in befremdlich-unverständlichem Jargon. "Der Mann im Rollkragenpullover musste mehrere Menschen in einer Person sein", erklärt sich Herr Faustini seine Beobachtungen mit großem Staunen, durch das deutlich Ironie durchschimmert. "Nicht nur Bescheidwisser über die Kunst, sondern vor allem musste seine Rede über die Kunst für alle anderen unverständlich sein, damit diese wirklich in den Genuss des Nichtbescheidwissens kamen, weswegen sie ja alleine zur Kunstausstellung kamen. Abende wie dieser standen bei den Anwesenden in höchstem Kurs. Wann hatten sie schon Gelegenheit, so tiefe Freude zu empfinden wie die, nichts von dem zu verstehen, worum es hier ging, ohne Schaden zu nehmen, denn es ging ja um nichts. Erfüllt von diesem Nichts gingen sie leichtfüßig nach Hause, wo es immer um etwas ging, von dem nichts zu verstehen sie sich nicht leisten durften."
Man merkt: Mit sarkastischen Seitenhieben auf die Kunstszene, aber auch auf das befremdliche Innenleben liechtensteinischen Finanzwesens und auf die landschaftliche Zersiedlung des Rheintals wird nicht gegeizt. Doch es überwiegen stilistisch jene Passagen, in denen Hermann als Zivilisationskritiker das der Masse, der Hektik, dem Konsum Entgegengesetzte lobt und preist, nämlich Stille, Besinnung, Ruhe und die fast mystisch oder zen-buddhistisch anmutende Befreiung von Bedeutung, Schwere und Bedeutungsschwere. "Herr Faustini schätzte am See gerade die Ruhe, die von ihm ausging. Nirgends spürte Herr Faustini mehr Ruhe als hier am See, aber es war eine kraftvolle Ruhe, keine Totenstille. Eine atmende Ruhe war es, eine lebendige, nicht wie die Ruhe in einem Waldstück nach einem Feuersturm. Nein, es war eine Ruhe ganz für sich selbst, eine eigene Ruhe, die den Menschen nicht brauchte, die sich ihm aber gern mitteilte, wenn er bereit war für sie."
Herr Faustini wird an solchen Stellen, an denen über die "Räume zwischen den Bedeutungen" meditiert wird, als Membran eingesetzt, als persona, durch die der Autor redet und solcherart Momente der Schönheit erzeugt. Der Schönheit des Ausdrucks wie des Gehaltes: "Mit dem Wind trieben Augenblicke von weit her, die irgendwann anderen Personen gehört hatten, doch es waren auch unbeachtete Augenblicke darunter, die hier am Fluss allen Raum für sich hatten. Er ging durch das Lachen und Weinen fremder Leute wie durch deren Wohnzimmer hindurch."
Wolfgang Hermann ist mit Herrn Faustini eine in seiner wärmenden Skurrilität schöne, in seiner durchscheinenden Opazität überaus sympathische, ja geradezu anrührende Figur gelungen. Doch vermag dieser nicht den ganzen Text zu tragen. Geht doch Hermann, in der Vergangenheit eher ein der Prosaminiatur verpflichteter Kurzstreckenläufer der Literatur, bedauerlicherweise auf den letzten fünfzehn Seiten der dramaturgische Atem aus. Hier behilft er sich mit dem auffälligen und deshalb um so auffälligeren, leicht verdrießlichen Kunstkniff, Herrn Faustini einfach und unvermutet einen Traum träumen zu lassen, der sich auf den elegantesten Einwohner von Bregenz bezieht, einen aus Abidjan gebürtigen Afrikaner. Dieser hat Heimweh. Er verzehrt sich im Vorarlberger Exil nach der aus seiner Heimat gewohnten ungehinderten Sicht aufs Meer. Mit diesem macht sich dann Herr Faustini am Ende auf ans Meer, nicht länger mehr ein Miniaturreisender aus Leidenschaft - "Ich verreise täglich, und zwar auf allerkleinstem Raum, sodass es keiner bemerkt, dass ich wieder verreist bin", hatte er sich einst selber beschrieben -, sondern ein Erkunder der Welt und seiner selbst, in dem die Leidenschaft erwacht ist.
Bereits auf den ersten Seiten de 8b5 s Buches wird eine Herrn Faustini in den Mund gelegte Poetologie umrissen. "Die Damen und Herren Schriftsteller", heißt es da, "haben eine schwere Aufgabe zu tun, weil sie müssen ja das Zuworten rückgängig machen und nur aufschreiben, was eine Art von Welt sprechen lässt. Nicht dunkler soll es von einem Buch werden, sondern heller und irgendwie klarer." Bleibt man bei diesem Bild, so luminisziert Wolfgang Hermanns kleiner Roman durchaus von innen her. Er verstrahlt dunkel gesprenkeltes Licht, das die Welt um ein weniges heller und irgendwie klarer macht.
Bemerkung Katalogisat importiert von: Rezensionen online open (inkl. Stadtbib. Salzburg)
Exemplare
Ex.nr. Standort
4841 DR, Her

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